Teil 1
– Ein Teddybär „Den hat er dir geschenkt?“ David hält den kleinen Plüschbären an einer der kurzen Pfoten hoch. Paul reißt ihm das Kuscheltier aus der Hand. „Ja hat er.“ David verzieht den Mund als hätte er große Schwierigkeiten sein Lachen zu unterdrücken. Paul wirft das Tier zurück in die Reisetasche an seinem Bettende. „Und du hast ihn hierher mitgenommen?“ Davids hochgezogene Augenbrauen verschwinden unter seinem unordentlichen Pony. Paul wedelt mit dem Blatt in seiner Hand hin und her. „Er hat ihn mir für die Reise geschenkt.“ „Ach, hat er das.“ Davids Hand nähert sich wieder der Tasche. Paul schlägt sie mit dem Papier. „Was ist das denn?“ David entreißt ihm das Blatt und hält es dann angewidert von sich weg. „Vokabeln. Bah!“ Er gibt es Paul wieder. „Nur jemand wie du könnte Vokabeln auf seine Abschlussfahrt mitnehmen.“ „Ich will nun mal nicht alles wieder vergessen.“ David schwingt sich wieder auf sein eigenes Bett und greift nach seinem Handy. „Du willst die Vokabeln wegen Jo nicht vergessen.“ Er verdreht die Augen. „Um ihn zu beeindrucken.“ Pauls Blick wandert von den Vokabeln vor ihm zum gekippten Fenster hinter dem Cirkewwa liegt. „Kommt, lasst uns rausgehen. Ich halte es hier nicht mehr aus.“ Er schaut die drei Jungen an mit denen er sich das Zimmer teilt. David beginnt mit den Tasten seines Handys rumzuspielen. „Du meinst, du hältst es nicht mehr aus solange von Jo getrennt zu sein.“ Von Patricks Bett erklingt ein Lachen. „Nein!“ Paul steht von seinem Bett auf und stößt sich dabei an Davids Bett den Kopf, das viel zu tief über seinem angebracht ist. Er flucht und öffnet dann das kleine Fenster. „Wollt ihr hier den ganzen Nachmittag bleiben?“ Sascha hebt leicht den Kopf von seinem Kissen. „Na, wenn schon. Was gibt‘s da draußen denn?“ Er weist mit der Hand in Richtung Fenster. „Das haben wir doch gestern schon gesehen.“ Patrick brummt zustimmend. Pauls Blick wandert zu dem Teddybären in seiner Tasche, dessen Knopfaugen ihn beobachten. Er kniet sich neben die Tasche und zieht einen bedruckten Beutel unter den T-Shirts hervor. Er schmeißt sein Geld hinein, und etwas vorsichtiger die Tasche mit der Kamera. Als er sicher ist, dass die anderen nur auf die winzigen Displays ihrer Handys glotzen, wirft er auch noch den Bären hinterher. „Ich geh jetzt.“ David reckt seinen Kopf über die Bettkante. „Komm mal runter.“ „Wie gesagt: ich halte es hier drinnen nicht mehr aus“, wiederholt Paul nun aufgebrachter und schlägt die klapprige Tür hinter sich zu. Außerhalb des viel zu kleinen Zimmers atmet er wieder auf. Er beschleunigt seine Schritte und lässt die schäbige Jugendherberge hinter sich. Darauf sich bei den Lehrern abzumelden verzichtet er. Du hältst es doch nur nicht ohne Jo aus. Davids Stimme wiederholt sich in Pauls Kopf. Er blinzelt in die gleißende Sonne die sich über die Dächer der Häuser vor ihm streckt. Als er nach der Kamera in seiner Tasche greift, berührt er auch die weichen Ohren des Bären. Vermisst er Jonathan? Mehr als er sollte? Er ist sich selbst nicht sicher. Mit der Kamera in der Hand überquert Paul die Straße und bahnt sich einen Weg zwischen den Touristen hindurch. Wieder zuhause könnte er Jonathan vielleicht die Bilder zeigen. Die Straße vor ihm mündet in den großen Hafen voller Restaurants und noch mehr Touristen die sich nicht zwischen dem Strand und den kleinen Läden entscheiden konnten. Er setzt sich auf die Hafenmauer. Paul richtet die Kamera auf eine Fähre und die lachenden Kinder an Bord. Warum ein Teddybär? Die Frage drängt sich ihm auf seit Jonathan ihm das Plüschtier in die Hand gedrückt hat. „Hält er mich für seinen kleinen Bruder?“, schnaubt Paul die Möwe an, die auf der Mauer neben ihm flatternd Platz nimmt und mit ihrem gelben Schnabel in das erbeutete Stück Brot vor sich pickt. Die Vorstellung von Jonathan als ein kleiner Bruder gesehen zu werden gefällt Paul ganz und gar nicht. Aber hier draußen fällt es ihm leichter den Gedanken an den Jungen mit braunen Locken zu verdrängen. „Da bist du ja.“ Davids Hand klatscht auf seinen Rücken. „Ham wir dich gefunden.“ Hinter ihm drängen sich Sascha und Patrick durch die Menge. „Und was machen wir jetzt?“, fragt Sascha und mustert das Treiben um ihn. David streicht sich die Haare aus dem Gesicht. „Wir hauen ab.“ Paul senkt die Kamera. „Wohin denn?“ David streckt die Hand in die Ferne wo sich am Horizont zwischen dem Blau des Meeres und dem des Himmels eine braun grüne Landzunge abzeichnet. „Dahin.“