And if you’re still breathing you‘re the lucky ones

Cause most of us are breathing through corrupted lungs

Meine Füße schleifen durch den Sand und verlangsamen die Bewegung der Schaukel. Ich löse meine Hände von den Ketten. Die Haut ist rau, aufgerieben vom Metall. Sie sitzt noch immer auf ihrer Schaukel. Ich weiß es, ohne mich zu ihr zu drehen. Weil ich sie dort sitzen lasse. Der Sand ist kalt und voller runder Steine. Ich bücke mich langsam und klaube zwei auf. Augen aus Grau und Weiß und Sandkrümeln auf der Oberfläche. Ich stecke sie in meine Tasche. „Es ist gefährlich.“

„Schaukeln?“ Sie lacht und die Kettenglieder ächzen.

„Nein. Mit sich selbst allein zu sein.“

„Dann ist es doch gut, dass du mich hast. Du bist nicht allein. Nie.“

Langsam drehe ich mich zu ihr um. „Weißt du warum?“ Ich habe sie Reh genannt. Ihrer braunen Augen wegen. Und weil ich Rehe mag. „Man ist seinen eigenen Gedanken überlassen. Seinen Gefühlen. Und dann beginnen sie an einem zu nagen.“

„Dann ist es doch gut, dass du mich hast.“ Reh legt mir eine Hand auf die Schulter. Ich bilde mir ein, dass sie warm ist. Ihre Haut. Dass ich sie fühlen kann. Sie berührt meine Wange.

„Lass uns gehen.“ Ohne ein Wort folgt sie mir. So wie sie mir immer folgt.

Der Spielplatz hat nichts zu bieten, außer den beiden Schaukeln und einem zerfallendem Klettergerüst. Und Erinnerungen. Alte, die Reh noch nicht ersetzten kann. Ich laufe barfuß über den Asphalt der Straße. Er brennt auf meiner Haut, erhitzt von der Sommersonne der letzten Tage. Hinter den Vorhängen der Fenster kann ich nichts erkennen. Keine Menschen, nichts. Ich bin allein. Mit Reh und mir selbst. Es war schön. Diese Straße, diese Stadt so still, als wäre ich die einzige. Als würde dies alles mir gehören. Es war schön.

Shadows settle on the place you left

„Für dich.“

Reh ist stehengeblieben und hat eine Rose aus einem Garten gerissen. Sie streckt sie mir hin. Die Dornen kann ich spüren, die Blätter riechen auch wenn sie allmählich vertrocknen. So als wäre sie mir wirklich gepflückt worden. Will ich das also? Eine Rose gepflückt bekommen? Ich könnte mich bei Reh bedanken.

„Du musst dich nicht bedanken. Nicht mit deiner Stimme. Ich höre dich auch ohne sie.“

Wieder und wieder vergesse ich, dass sie hier neben mir steht und doch in meinen Kopf lauscht aus dem sie kommt. Ich zupfe ein Blütenblatt vom Kopf der hellen Rose. Dann gehe ich weiter, Reh mir hinter her. Sie war schon früher da. Vorm Sommer. Im Mai. Im April. Im März. Im Februar ist sie aufgetaucht. Ein Gedanke. Ein Gefühl. Ein paar brauner Augen. Und nun in diesem Sommer der nur aus mir und ihr besteht, ist aus ihr ein Mädchen geworden das mir Rosen pflückt. In diesem Sommer der nur aus heißem Asphalt und dem Quietschen der Schaukeln besteht.

„Wohin gehen wir?“

„Ich will dir was zeigen.“ Auch wenn sie es in Wahrheit sicher schon gesehen hat. Es macht Spaß. So zu tun, als wäre sie wirklich, hätte Augen mit denen sie sehen kann, und ein Herz das ich erfreuen kann. Als hätte sie eines mit dem sie mich glücklich machen kann. Es ist ein Spiel, ihre Anwesenheit.

Ich verlasse die Straße und biege auf den kleinen Pfad mit den Bäumen ein. Wenn sie wieder Kastanien auf den Boden zu unseren Füßen fallen lassen werden, wird sie nicht mehr da sein. Vielleicht. Hoffentlich. Hoffentlich nicht. Wenn der Herbst beginnt. Und die, die sie ersetzen muss wieder da sind. Die Blätter und Büsche weichen, wir treten hinaus aufs Feld.

„Es ist golden.“

„Gefällt es dir?“

Sie lächelt mich an. Und ich bin es leid darüber nachzudenken wem sie dieses Lächeln wohl gestohlen hat. Also setze ich mich aufs Gras und schaue hinaus, auf das Feld. „Du gehst nicht.“

„Nein, tue ich nicht“, antwortet Reh so als hätte ich ihr eine Frage gestellt. Sie legt ihren Kopf auf meine Schulter. „Ich bin dein.“ Weil ich ihr Leben gegeben haben. Weil ich nicht allein sein wollte. Weil ich ihr Furcht zum Atmen gegeben habe.

„Und wenn ich dich bitte zu gehen?“

„Auch dann nicht. Du brauchst mich doch.“ Sie schließt mir die Augen. Ich schließe meine Augen. Auch wenn ich ihre Finger auf meinen Lidern spüre. Warm, vom Sommer. Jetzt sehe ich nichts mehr. Kein Gold. Nur Reh.

Our minds are troubled by the emptiness

Würde ich schreien, niemand würde mich hören.

„Nur ich.“ Reh legt mir die Hände über die geschlossenen Augen. Sie will mich schützen vor der goldenen Welt des Sommers und der stillen heißen Leere. Ich will mich selbst vor ihr beschützen. Also habe ich Reh erschaffen.

We are the reckless, we are the wild youth

Chasing visions of our futures

One day, we‘ll reveal the truth

That one will die before he gets there.

Sie lauscht mir. Sie ist die einzige, die das kann. „Dann ist es doch gut, dass ich da bin.“

Nein. Ist es nicht. Ich will nicht, dass sie mich hört. Ich will nicht in meinem dunklen Kopf bleiben.

„Geh.“

Ihre Finger zucken auf meiner Haut. Spinnen, wie die in den Netzen an den verlassenen Sommerhäusern. Ich muss sie öffnen. Meine Augen. „Geh.“

Setting fire to our insides for fun

Feuer, Feuer wie das auf der Sonnenoberfläche. Es brennt. Es verbrennt Reh. Ich öffne die Augen und blinzle in die Sonne. Mein Kopf ist dunkel. Dort aber ist die Sonne. Und vor mir in der Wiese noch immer die Rose. Sie hat sie da gelassen. Für mich. Ihre Freundin, ihre Mörderin und ihre Träumerin. Über das Feld jagen braune Schatten. Zwei Rehe. Die Dornen stechen in meine Finger. Es ist gefährlich, mit sich selbst allein zu sein. Und es ist Sommer. Voller Gold und voller Rehe die über die Felder jagen.

Lyrics: Youth by daughter

Von szadmin

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert