der Text ist die Vorgeschichte von Rilo.

„Lasst mich los!“ Der Schrei des Jungen hallte über den Burghof und erntete Lacher. Er trug ein ausgeleiertes Hemd voller Erdflecken. Seine Hose war an den Knien abgerissen, sodass seine bloßen Füße mit den schmalen Beinen hervorschauten. Zwei Soldaten hatten seine Arme nach hinten gebunden und schleiften ihn über die Pflastersteine. „Ihr sollt mich loslassen!“ Aber niemand hörte auf ihn. „Ihr werdet es bereuen!“ Seine Stimme war hoch, voller Panik, nicht nur vor dem was ihm blühte. „Ich habe euch gewarnt!“ Die Worte gingen unter im Gebrüll der Menge. „Tötet den Dämon! Tötet das Monster!“ In der Mitte des Hofes war ein riesiger Scheiterhaufen erbaut worden. Dünne Äste und Reisig waren aufgestapelt worden, in der Mitte ein Pfahl. Das Kind wurde auf die Bündel aus Zweigen gezogen und festgebunden. Er blickte auf die Menge unter ihm. Keinen von diesen Menschen kannte er, und keiner kannte ihn. Aber sie alle waren bereit zu glauben, er sei eine Ausgeburt des Teufels. Nur, dass es kein Teufel gab, und keinen gerechten Gott. Die Welt hatte dem Kind keinen Namen gegeben, nur Macht. Aber wenn Macht überschreitet, was Augen sehen können, wenn sie einem Jungen ohne Freunde, ohne Familie und Herkunft in die Hände gelegt wird, wird sie gefürchtet und geächtet. Ein Soldat hielt nun eine Fackel in den Händen und warf sie auf den Scheiterhaufen. Die Flammen wurden für einen winzigen Moment kleiner, dann aber sprangen sie auf die Äste über und schossen in die Höhe. Rauch stieg in die Lunge des namenlosen Kindes. Die Flammen erreichten seine Füße und kletterten an ihm hoch. Er spürte keinen Schmerz und seine Furcht rührte nicht von ihnen her. Wie eine liebende Mutter, die er nie gehabt hatte, umschlossen, umarmten sie ihn, liebkosten ihn mit Hitze und flammenden Küssen auf seiner Haut. Das Leben, das das Feuer aus dem Holz, der Luft um ihn gezogen hatte, floss über ihn. Es strich über sein Gesicht und hauchte in sein Ohr. Der Junge schlug wild mit dem Kopf hin und her. Nun bettelte das Feuer nicht mehr, es forderte und befahl. Und er konnte es nicht mehr aus seinem Kopf aussperren. In diesem Moment erloschen die Flammen. Verwunderte und aufgebrachte Laute kamen aus der Menge und eine Wache rannte los um eine neue Fackel zu holen. Sie kam nicht weit. Es begann bei denen, die dem Scheiterhaufen am nächsten gewesen waren. Wie versteinert hielten sie in ihren Bewegungen inne und dann – ohne einen Laut – lösten sie sich auf. Das Einzige, was zurückblieb, war Staub auf den Pflastersteinen. Der Junge sackte zu Boden, auch der Scheiterhaufen war fort und er war von den Fesseln befreit. Er wollte nicht sehen, was geschehen war, er wollte nicht sehen, was er getan hatte. Taumelnd überquerte er den Burghof. Am Tor blieb er stehen und drehte sich um. Langsam und gemächlich fegte der Wind über den Stein, wirbelte Asche von einem Feuer, das nie gebrannt hatte, auf, und trug sie in den eisblauen Himmel. Ihm war, als würde in seinem Kopf noch immer die Flammen toben. Er begann zu rennen, durch das Tor, über die Brücke, den Pfad entlang und er strauchelte. Hart schlug er auf den steinigen Weg auf und Kiesel bohrten sich in seine Haut. Der Junge war unfähig wieder aufzustehen, da er am ganzen Körper zitterte. Langsam robbte er voran, und legte sich in die Wiese neben dem Pfad. Gras kitzelte an seiner Wange und er wollte nichts, als immer hier liegen zu bleiben, zu vergessen, aus seinem Körper zu entfliehen. Der Junge schloss die Augen und tastete nach der Macht. Ganz allmählich färbten sich seine Haare orange, begannen seinen restlichen Körper zu bedecken. Hände wurden zu Pfoten, die Nase zur Schnauze. Der Fuchs erhob sich aus dem Gras. Sein Kopf fühlte sich schwer an. Er drehte sich ein wenig und schnupperte. Rauch. Hinter ihm ragte ein Ungetüm aus Stein in den Himmel. Einst hatte er gewusst was es war, aber nun fiel es ihm schwer sich zu erinnern. Der Fuchs wandte sich um, sprang über die Wiese und die Felder, dem nahen Wald entgegen. Der Junge zwar hatte keinen Namen, der Fuchs jedoch schon, einen den ihm die Bäume vor langer Zeit gegeben hatten: Rilo.

Von szadmin

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